Ein langer Heimweg

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Ich bin zu einer Weihnachtsfeier eingeladen. Ich verlasse diese Feier gegen 22:00 Uhr und laufe die paar Minuten zur S-Bahn-Station Marienplatz. Mein Zug soll um 22:10 Uhr fahren und um 22:54 in Wolfratshausen ankommen; da um diese Zeit nicht mehr mit großen Verspätungen zu rechnen ist, sollte der Regionalbus um 23:00 Uhr problemlos zu erreichen sein. Soweit die Theorie.

Nach kurzer Wartezeit fährt eine S4 ein, also bleibt immer noch viel Zeit bis zu meiner S7. Eine Durchsage ertönt, die ich leider schlecht verstehe. Immerhin verstehe ich, dass es eine Störung gibt, und dass bitte alle mit dieser S-Bahn zum Hauptbahnhof fahren sollen. Also steige ich ein und setze mich. Die weiteren Durchsagen am Bahnsteig sind wie immer im Zug nicht zu verstehen. Schließlich erfolgt eine Durchsage des Zugführers: Er empfehle uns, die U-Bahn zu nehmen; diese S-Bahn werde voraussichtlich noch länger stehen bleiben; es gebe einen Notarzteinsatz an der Donnersbergerbrücke.

Am Marienplatz fahren die Linien U3 und U6; letztere hält am Harras, einer Station, an der auch wieder meine S7 hält. Also auf zur U-Bahn, die fährt eine Ebene tiefer. Als ich dort bin, ist eine U6 kurz vor der Abfahrt. Die Bereiche hinter den Türen sind so voll, dass ich nicht versuche, mich auch noch hineinzuzwängen (zumal die Türen sich schon schließen), sondern auf die nächste warte. Mit der bin ich dann etwa um 22:30 Uhr am Harras.

Dort ist die nächste S7 in etwa 3 Minuten angezeigt, die nächste BOB (Bayerische Oberlandbahn) eine Minute später. Beide Züge, und noch ein oder zwei weitere, wandern aus der Anzeige, ohne sich physisch am Bahnsteig zu zeigen.

Irgendwann schnappe ich auf, dass die S7 am Heimeranplatz wende (mobiles Internet hat in solchen Situationen durchaus Vorteile). Au wei, denke ich: Wenn die dort auf Gleis 11 geleitet wird, kann sie nicht am Harras halten, sondern fährt auf dem dritten Gleis vorbei, das es hier gibt. Zwischen den beiden Stationen gibt es keine Weiche, mit deren Hilfe ein Zug herüber wechseln könnte. Und so kommt es auch: Ein paar Minuten später rauscht eine S7 Richtung Innenstadt auf dem dritten Gleis vorbei, und wieder ein paar Minuten später Richtung Wolfratshausen. Die Anzeige behauptet zu diesem Zeitpunkt, die nächste S7 nach Wolfratshausen fahre in einer Minute.

Danach soll eine BOB kommen. Dass die auch auf sich warten lässt, steigert sichtbar die Nervosität einer jungen Frau, mit der ich mich unterhalte – sie hat noch eine gute Stunde Fahrt vor sich, und befürchtet inzwischen, dass dieser Zug auch ausfällt oder vorbeirauscht. Aber er kommt nur etwas später.

Auch ich steige in die BOB ein. Es gibt nämlich noch eine weitere gemeinsame Haltestelle von BOB und S7, und zwar Siemenswerke (am Wochenende auch Solln, aber wir haben ja Wochenmitte). Und: Im MVV-Gebiet gelten die MVV-Fahrkarten auch für die BOB (wir sind ja sogar noch im Münchner Stadtgebiet), und so fahre ich mit bis Siemenswerke. Dort kann mir die S7 nicht entkommen, dort gibt es nämlich kein drittes Gleis.

Als ich aussteige, gilt mein erster Blick der Zuganzeige: Die nächste S7 fällt aus, die übernächste fährt in 50 Minuten. Es ist kurz nach 23:00 Uhr, aber ich weiß, dass meine Frau noch auf einen Rückruf einer Kollegin wartete. Die Chancen sind demnach gut, dass sie noch nicht schläft, also rufe ich an. Im Wartehäuschen hängt ein Plan der Station, aus dem ersichtlich ist, dass in der Nähe (am anderen Ende des Bahnsteigs) ein Bus Richtung Solln fährt. Dort wird sie mich mit dem Auto abholen.

Das geschieht dann kurz nach Mitternacht; gegen 00:30 Uhr sind wir zu Hause, im Bett sind wir dann bald nach eins. Den Wecker kümmert das wenig: unerbittlich holt er uns um 05:30 Uhr aus dem Schlaf.

Aber mit der viel zu kurzen Nacht geht es mir doch viel besser, als dem Menschen, dem der Notarzteinsatz galt…

Kategorie: S-Bahn
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